Ideenmanagement im zweiten Corona-Jahr
Je nachdem, ob man das Glas als halbvoll oder als halbleer betrachtet, kann man aus dem Vergleich der Medianwerte der letzten vier Jahre gute oder schlechte Nachrichten herauslesen.
- Gute Nachrichten: Der Rückgang der Beteiligungs-, Vorschlags-, Umsetzungs- und Einsparungsquoten von 2018 und 2019 auf 2020 hat sich nicht weiter fortgesetzt. Die Einsparungen pro umgesetzten bzw. abgeschlossenen Vorschläge sind sogar leicht gestiegen.
- Schlechte Nachrichten: In den Beteiligungs-, Vorschlags-, Umsetzungs- und Einsparungsquoten ist noch keine Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau zu erkennen.
Eine weitere Nachricht, die man als Anzeichen einer gleichbleibenden Qualität der Vorschläge und Stabilität der Bearbeitung ebenfalls als „gut“ bewerten könnte, ist die seit 2018 unveränderte Konstanz des Umsetzungsanteils (jeweils rund 50% aller abgeschlossenen Vorschläge werden umgesetzt) und des Abarbeitungsanteils (am Ende eines zwölf-Monats-Zeitraums sind rund 65% der in diesem Zeitraum eingereichten Vorschläge abgeschlossen).
Interessant ist sicherlich auch die Nachricht, dass die Korrelationen zwischen verschiedenen Kennzahlen in allen Jahren praktisch identisch sind – und dies bei beträchtlichen Änderungen in den Werten der einzelnen Kennzahlen. Auf der gewachsenen Datenbasis treten die Korrelationen nunmehr noch deutlicher hervor. Darauf werde ich in einem nachfolgenden Blogbeitrag noch weiter eingehen.
Hinweise:
- Für Teilnehmer am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021“ verweise ich im Folgenden auf die Seiten in Ihren individuellen Ergebnisberichten, auf denen Sie weitere Diagramme und ausführlichere Erklärungen finden (markiert mit [EB21, Seite xx]).
- Die Tabellen mit den Median- und arithmetischen Durchschnittswerten der einzelnen Jahre 2018 – 2021 für alle erhobenen Kennzahlen sowie deren Definitionen finden Sie hier. [EB21, Seiten 13f]
- Die Geschichte und das Konzept des Kennzahlenvergleichs habe ich im Blogbeitrag „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2019 – Orientierungshilfe und Anregung“ vom 30.01.2020 beschrieben. Weitere Grundlagen finden Sie im Blogbeitrag „Kennzahlen im Ideenmanagement – Erfolge messen und steuern“ vom 15.01.2020.
- Wie Sie den Kennzahlenvergleich für eigene Weiterentwicklungen nutzen können, habe ich im Blogbeitrag „Neugier und Offenheit: beste Voraussetzungen für Lernen und Weiterentwicklung!“ vom 29.12.2021 beschrieben. [EB21, Seiten 33ff]
Teilnehmende Unternehmen nach Größen, Branchen und organisatorischer Zuordnung
Mit 239 teilnehmenden Unternehmen bietet der „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021“ die mit Abstand größte Datenbasis für ein solides jährliches Benchmarking. Auch in diesem Jahr haben sich wieder Unternehmen der unterschiedlichsten Größen (von unter 20 bis über 200.000 Mitarbeiter, siehe Abbildung 1) und Branchen (siehe Abbildung 2) beteiligt.
Jeweils etwa ein Viertel der teilnehmenden Unternehmen hat unter 500 Mitarbeiter oder zwischen 500 und 1.200 Mitarbeiter. Angesichts der hohen Bedeutung, die kleine und mittelständische Unternehmen für unsere Wirtschaft haben, ist diese Verteilung besonders erfreulich. Im Hinblick auf die Kennzahlen des Ideenmanagements zeigen sich übrigens keine wesentlichen Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen: Erfolg im Ideenmanagement ist keine Frage der Unternehmensgröße! [EB21, Seiten 29f]
Die teilnehmenden Unternehmen verteilen sich auf insgesamt rund 25 Branchen. Dabei machen Produktionsunternehmen etwas über drei Viertel der Teilnehmer aus. Mit jeweils mindestens 20 Teilnehmern sind die Schlüsselbranchen „Automobilindustrie und Zulieferer“, „Chemieindustrie, Biotechnologie“, „Maschinen- und Anlagenbau“ sowie „Metallver- und -bearbeitung, Stahl, Gießereien“ besonders stark vertreten und wurden zusätzlich separat ausgewertet. [EB21, Seite 47]
Abbildung 1: Größenverteilung der teilnehmenden Unternehmen
Abbildung 2: Branchen der teilnehmenden Unternehmen
Bei der organisatorischen Zuordnung des Ideenmanagements fallen erhebliche Unterschiede zwischen Produktions- und Nicht-Produktionsunternehmen auf (siehe Abbildung 3) [EB21, Seite 15]:
- In Produktionsunternehmen ist das Ideenmanagement am häufigsten (32%) der zuständigen Stelle für „KVP, Lean, Optimierung, Operational Excellence“ zugeordnet, am zweithäufigsten dem „Personalwesen“ (20%). Dagegen ist die Zuordnung zum „Personalwesen“ in Nicht-Produktionsunternehmen mit Abstand am häufigsten (31%).
- Weitere Organisationseinheiten mit zweistelliger Häufigkeit sind „Qualitätsmanagement“ (13% der Produktionsunternehmen) und „Innovation, Forschung, Entwicklung, Technologie (13% der Nicht-Produktionsunternehmen).
Abbildung 3: Häufige organisatorische Zuordnungen des Ideenmanagements in den teilnehmenden Unternehmen
Ressourcen und Aktivitäten
Im Benchmarking zu jährlich wechselnden Themen war für 2021 auch nach der Personalkapazität gefragt worden, die für das Ideenmanagement zur Verfügung steht. Die Antworten reichen von 0,11 Stunden bis über 110 Stunden (jeweils pro Woche und 1.000 Mitarbeitern). Der Medianwert beträgt 11 Stunden. In größeren Unternehmen (über 5.000 Mitarbeitern) ist die Personalkapazität tendenziell etwas geringer als in kleineren Unternehmen. In Produktionsunternehmen finden sich besonders hohe Personalkapazitäten (über 20 Stunden) deutlich häufiger als in Nicht-Produktionsunternehmen. [EB21, Seiten 16ff]
- Positive (wenn auch nicht sehr starke) Korrelationen bestehen zwischen der Personalkapazität und den Beteiligungs- und Vorschlagsquoten. Der Effekt spiegelt sich allerdings nur bei besonders hohen (über 20 Stunden) oder besonders geringen Personalkapazitäten (unter 5 Stunden) in den (dann höheren bzw. geringeren) Medianwerten wider.
- Eine mögliche Erklärung wäre, dass bei einer höheren Personalkapazität mehr Maßnahmen zur Inspiration und Motivation durchgeführt werden können.
- Denkbar wäre aber auch, dass die (aus welchen anderen Gründen auch immer) hohen oder niedrigen Vorschlagszahlen beeinflussen, in welchem Ausmaß Personalkapazität für das Ideenmanagement bereitgestellt wird. - Die Korrelation zwischen Personalkapazität und Einsparungsquote ist schwach. Hier spiegelt sich der Zusammenhang nur bei besonders hohen Personalkapazitäten (über 20 Stunden) in einem signifikant höheren Medianwert der Einsparungsquote wider (mehr als 100 €/MA Differenz zum Medianwert der anderen Unternehmen).
- Zwischen der Personalkapazität und dem Abarbeitungsanteil besteht dagegen gar keine Korrelation. Dies ist aus meiner Sicht insofern erstaunlich, als es dem intuitiven Verständnis entspräche, wenn das Ideenmanagement bei einer höheren Personalkapazität zu einer schnelleren Abarbeitung beitragen würde.
Über ein eigenes Budget für Werbung und internes Marketing verfügt das Ideenmanagement in knapp einem Drittel der teilnehmenden Unternehmen. Dabei ist der Anteil bei Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern deutlich größer als in Unternehmen unter 500 Mitarbeitern. Ebenso ist der Anteil bei Nicht-Produktionsunternehmen deutlich größer als bei Produktionsunternehmen.
- Zwischen Unternehmen „mit“ und „ohne“ eigenem Budget zeigen sich bei den Beteiligungs-, der Vorschlags- und Umsetzungsquoten keine großen Unterschiede. Das mag zunächst erstaunen, weil Werbung und internes Marketing darauf zielen, Beteiligung und Vorschlagsaktivität zu fördern. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass auch in den meisten Unternehmen „ohne Budget“ Werbung und internes Marketing in ähnlichem Ausmaß und mit vergleichbarer Wirkung stattfinden – nur eben ohne eigenes Budget. Denkbar ist auch, dass andere Faktoren einen viel größeren Einfluss haben und selbst aufwendige Werbe- und Marketingmaßnahmen wirkungslos bleiben, wenn diese anderen Faktoren nicht stimmen. [EB21, Seite 25]
- Der Medianwert der Einsparungsquote ist in der Gruppe der Unternehmen „mit Budget“ etwas höher als in der Vergleichsgruppe „ohne Budget“ – vielleicht, weil bei höheren Einsparungen die Bereitschaft steigt, ein Budget bereitzustellen?
Ein weiterer Fragenkomplex des ergänzenden Benchmarking betraf aktuelle Themen im Ideenmanagement (siehe Abbildung 4). Hier sind Kampagnen das mit Abstand am häufigsten genannte Thema, sie werden von fast der Hälfte der Unternehmen genutzt. Jeweils knapp 30% der Teilnehmer sind in den Social Media ihres Unternehmens aktiv und bzw. oder bieten die Möglichkeit zur Ideeneingabe von privaten mobilen Endgeräten aus. [EB21, Seiten 22ff]
- Dabei beschäftigen sich große Unternehmen intensiver mit den aktuellen Themen als kleine. Während in der Gruppe der Unternehmen über 2.000 Mitarbeiter weniger als ein Zehntel angab, dass keines der aktuellen Themen auf sein Ideenmanagement zutraf, lag dieser Anteil bei Unternehmen unter 1.000 Mitarbeiter über einem Drittel. Von den Unternehmen über 2.000 Mitarbeiter nutzen etwa drei Viertel Kampagnen, bei den Unternehmen unter 1.000 Mitarbeiter ist der Anteil nicht einmal halb so groß.
- Generell finden sich die aktuellen Themen in Nicht-Produktionsunternehmen häufiger als in Produktionsunternehmen. Dies gilt insbesondere für die Durchführung von „Kampagnen“, den „Einsatz von E-Learning-Tools und/oder Lernvideos“, die „Möglichkeiten für Akteure und/oder Communities, Ideen zu liken / voten / kommentieren / ergänzen“, die „systematische Unterstützung oder Schulung von Kreativitätstechniken“ sowie die „Anwendung von Gamification“.
Abbildung 4: Antworten zu aktuellen Themen des Ideenmanagements (Auswahl)
An dieser Stelle fragen Sie sich vielleicht, wie es sein kann, dass …
… einerseits große Unternehmen deutlich häufiger Kampagnen durchführen, die Ideeneingabe von mobilen Endgeräten aus ermöglichen und ihr Ideenmanagement mit einem Budget für Werbung und internes Marketing ausstatten, während …
… andererseits zwischen großen und kleinen Unternehmen keine wesentlichen Unterschiede in den Kennzahlen des Ideenmanagements erkennbar sind?
Offenbar verfügen viele kleinere Unternehmen über andere Möglichkeiten, ihr Ideenmanagement erfolgreich zu gestalten. So könnte etwa die bei ihnen tendenziell höhere Personalkapazität ein solcher Faktor sein. Diesen Zusammenhängen wie auch den möglichen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Kennzahlen gehe ich in nachfolgenden Blogbeiträgen weiter nach.
Lesen Sie auch die anderen Blogbeiträge mit Bezug zu den Ergebnissen des „Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2021“:
- Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021 – Ergebnisse 2: Zahlen und ihre Korrelationen
- Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2021 – Ergebnisse 3: Einflüsse auf die Einsparung
Einen Blick auf den Zusammenhang der Kennzahlenentwicklung mit dem Umfang von Kurzarbeit in Coronazeiten finden Sie in meinem Artikel „Ergebnisse des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2021“ im Heft „Ideen- und Innovationsmanagement 03/22“ (Erich Schmidt Verlag, Berlin).
Merken Sie sich bereits jetzt Ihre Teilnahme am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ 2024 vor! Das Datenblatt steht ab November 2024 auf meiner Benchmark-Webseite zum Download bereit, die Datenerfassung läuft im ersten Quartal 2025.
Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.
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