Ideen plus Management gleich Ideenmanagement (?)

Geschrieben von: Dr. Hartmut Neckel am: 24.04.2023

  • Themen: Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Förderung der Ideenentstehung sowie zur Förderung des Managements von Ideen; Checklisten zur Einschätzung der eigenen Befähigung für Ideen und Management

Mit „Ideen“ assoziieren wir Inspiration, Intuition, Kreativität, Neugier, Offenheit und Phantasie. „Management“ lässt uns eher an Effizienz, Organisation, Planung, Kontrolle, Strategien und Strukturen denken. Diese Begriffsgruppen bilden zwar keinen direkten Gegensatz – sie sind aber doch so unterschiedlich, dass wir sie wohl kaum spontan miteinander verbinden würden. Genau das ist aber die Anforderung an Ideenmanagement: Sowohl die Entstehung und Mitteilung von Ideen zu fördern als auch für das Management von Ideen in den dafür vorgesehenen Bottom-up-Prozessen zu sorgen. Beides ist erforderlich, um Ideen als eine wertvolle Ressource zu bewirtschaften.

Vorbemerkung 1: Die im Eingangsstatement genannten Anforderungen lassen sich auf zwei Ebenen betrachten:

  • Die persönliche Ebene betrifft die individuellen Kompetenzen und Eigenschaften der Ideenmanagerinnen und Ideenmanager, ihr Können, ihr Engagement und ihren Mindset.
  • Die Ebene des Unternehmens betrifft die Aufbau- und Ablauforganisation, Ressourcenausstattung, Ziele und Strategien sowie kulturelle Faktoren.

Beide Ebenen sind miteinander verknüpft: So kann ein Ideenmanager eine sehr offene und neugierige Persönlichkeit haben. In einem rigiden und reglementierten Unternehmen, in dem ein Klima der Überheblichkeit und Abschottung herrscht, wird sich diese Persönlichkeit jedoch nur schwer entfalten können und wollen. In der Konsequenz könnte dann das Verhalten des Ideenmanagers (fast) ebensowenig ideenfördernd sein wie der systemische Rahmen des Unternehmens. Ebenso könnte eine Ideenmanagerin mit einem sehr guten persönlichen Zeit- und Selbstmanagement bei einer stringenten Verfolgung der Bearbeitungsprozesse von Ideen behindert werden, wenn unternehmensseitig keine passenden Tools bereitgestellt werden.

Die folgenden Ausführungen zur (inneren) Haltung, zum entsprechenden (nach außen gezeigten) Verhalten und zu den dafür benötigten Kompetenzen und Ressourcen können Ideenmanagerinnen und Ideenmanager also einerseits auf sich persönlich beziehen, andererseits als Aussagen und Checkpunkte zu ihrem Unternehmen verstehen. Im Endeffekt beruhen die konkreten Faktoren und Maßnahmen, die für die Ergebnisse eines Ideenmanagements maßgeblich sind, immer auf einer Mischung aus individuellen Eigenschaften der handelnden Personen und verhaltensprägenden Rahmenbedingungen des Unternehmens – das „Mischungsverhältnis“ hängt von den jeweiligen konkreten Personen, Unternehmen und Situationen ab.

Vorbemerkung 2: Das Fragezeichen im Titel dieses Beitrags steht für die Frage, welche Ideen überhaupt gemeint sind, von denen hier die Rede ist? Die Problematik, dass es Ideen der verschiedensten Art gibt, hat Peter Koblank sehr plastisch in seiner Schrift „Der Siegeszug eines irreführenden Begriffs“ beschrieben. Wenn man nicht die Absicht hat, ein „Total Idea Management“ auszurufen, das für alle Prozessvarianten zuständig ist, die für das Management aller Arten von Ideen erforderlich sind, dann wird man Ideenmanagement so verstehen, wie es in 99% der Unternehmen der Fall ist: als das Management von Ideen, die mit dem Ziel konkreter Verbesserungen in einem Bottom-up-Prozess vorgebracht werden. Dies entspricht der Definition im Blogbeitrag „Was ist Ideenmanagement? – I. Die Ideen“.

 

Ideen und ihre Entstehung fördern

Ob und welche Ideen entstehen, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und kann mit verschiedenen Maßnahmen gefördert werden.

Aus Sicht der Neurobiologie und der Kognitionswissenschaften ist die Entstehung von Ideen eine Frage der Aufnahme von äußeren Impulsen durch Sinnesorgane und ihrer Verarbeitung im Gehirn in Verbindung mit bereits vorhandenen Prägungen. Dieser Sicht auf Ideenmanagement bin ich in der Blogserie zum „Neuroideenmanagement“ nachgegangen.

Inwieweit für die Entstehung von Ideen förderliche Faktoren wie Inspiration, Intuition, Kreativität, Neugier, Offenheit und Phantasie bereits auf Seiten des Ideenmanagements selbst sowie im Unternehmen insgesamt gegeben sind, lässt sich anhand von entsprechenden Indikatoren feststellen – hier der Entwurf einer Checkliste:

  • Grundsätzlich sind alle bottom-up vorgebrachten Ideen willkommen – auch wenn sie Themen betreffen, nach denen (top-down) gar nicht gefragt war, die unbequem sind, oder bei denen es sich (aus Sicht „von oben“) um Kleinigkeiten handelt.
  • In Neuem wird stets zunächst das Positive gesucht. Es besteht die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren.
  • Die Kommunikation ist offen und transparent. Feedback wird als Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung und Verbesserung genutzt.
  • Das Arbeitsumfeld bietet inspirierende Impulse, ermöglicht Flexibilität und bietet Freiräume.
  • Alle Mitarbeiter werden ausdrücklich ermutigt, ihre eigenen Ideen einzubringen und sich aktiv zu beteiligen.
  • Es werden systematische Maßnahmen durchgeführt, mit denen kreative Prozesse gefördert werden.
  • Der Blick wird bewusst über den Tellerrand hinaus gerichtet. Das Unternehmen nimmt am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ teil und ist interessiert am Benchmarking face to face.

Konkrete Maßnahmen zur Förderung der Ideenentstehung, die von Seiten des Ideenmanagements bzw. des Unternehmens ergriffen werden können, waren bereits Gegenstand in mehreren Blogbeiträgen. Hier gebe ich nur Hinweise auf einige mögliche Handlungsfelder:

Eine Einzigartigkeit des Ideenmanagements besteht darin, vor allem (auch) auf die „unbewusste Kognition im tagtäglichen Vorbeigehen“ als Methode zur Entstehung von Ideen zu setzen. Was damit gemeint ist, finden Sie in den Blogbeiträgen „Neuroideenmanagement 4 – das Gehirn als Assoziationsmaschine“, „150 Jahre „General-Regulativ“ – Teil 3: Ideenmanagement im wachsenden „Ökosystem“ der Methoden und Programme“ und „Kampagnen im Ideenmanagement – was sie bringen, wie sie wirken“ beschrieben.

 

Für das Management von Ideen sorgen

Ideen stehen oft für etwas Neues und Überraschendes. Management vollzieht sich dagegen überwiegend in vordefinierten Bahnen und mit definierten Methoden. Dies gilt auch dann, wenn es entwicklungsorientiert ist oder als Change Management oder Transformationsmanagement auf tiefgreifende und weitreichende Veränderungen zielt.

Ob und wie etwas gemanagt werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und kann mit verschiedenen Maßnahmen gefördert werden.

Aus Sicht der Wirtschafts- und Managementwissenschaften stellen Ideen keine wesentlich anderen Anforderungen an das Management als andere Aufgaben auch. Arbeitswissenschaften, Organisationslehre und Betriebswirtschaftslehre bieten ein umfassendes Rüstzeug für das Management von Ideen – es muss nur angewendet werden. Konkrete Beispiele für Organisationsformen des Ideenmanagements finden Sie in den Blogbeiträgen „Was ist Ideenmanagement? – II. Das Management“ und „Erfolgsfaktor 3/9 – Prozess: Organisation“.

Inwieweit für das Management von Ideen förderliche Faktoren wie Effizienz, Organisation, Planung, Kontrolle, Strategien und Strukturen bereits auf Seiten des Ideenmanagements selbst sowie im Unternehmen insgesamt gegeben sind, lässt sich anhand folgender Checkliste feststellen:

  • Es werden klare, messbare und realistische Ziele formuliert, die im Ideenmanagement erreicht werden sollen. Die Ziele entsprechen der übergeordneten Unternehmensstrategie. Sie werden regelmäßig überprüft und angepasst.
  • Es gibt eine klar definierte Organisationsstruktur, die die Rollen und Verantwortlichkeiten der Akteure im Ideenmanagement beschreibt und die Zusammenarbeit fördert.
  • Ideen werden im Rahmen von standardisierten Prozessen und Arbeitsabläufen gemanagt, die zur Erreichung der Ziele beitragen und regelmäßig überprüft und verbessert werden.
  • Aufgaben und zu fällende Entscheidungen werden priorisiert und im Voraus geplant, damit sie termingerecht erledigt werden können.
  • Es gibt ein System zur Überwachung der Fortschritte und Ergebnisse, mit dem Abweichungen frühzeitig erkannt und Maßnahmen zur Korrektur ergriffen werden.
  • Das Geschehen im Ideenmanagement wird mit prägnanten und jederzeit aktuell verfügbaren Kennzahlen abgebildet. Die Kennzahlen sind transparent und werden beachtet.
  • Die Daten für den „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ werden vorausschauend ermittelt und mit einem ausreichenden Vorlauf vor der Deadline zur Datenerfassung bereitgestellt.

Konkrete Maßnahmen zur Förderung des Managements von Ideen zielen meistens vor allem darauf, die dafür zuständigen Personen zur Erledigung ihrer Managementaufgaben anzuhalten und sie dabei zu unterstützen. Gelegentlich mag dann auch eine grundlegende Neuorganisation des Workflows und des gesamten Ideenmanagementsystems erfolgen. Hier gehe ich nur auf einige mögliche Handlungsfelder zur erstgenannten Herausforderung ein:

Dass das Management von Ideen auch in zukünftigen „neuen“ Arbeitswelten eine spezifische Aufgabe bleiben wird, habe ich versucht, im Blogbeitrag „150 Jahre „General-Regulativ“ – Teil 2: „Neues Ideenmanagement“ in der „neuen Arbeitswelt““ zu begründen.

 

Ideenmanagement gleich Ideen plus Management plus ?

Ideen entstehen und existieren zunächst nur in den Köpfen von Menschen. Damit sie gemanagt werden können, müssen sie erst einmal mitgeteilt werden. In gängigen Definitionen von „Ideation“ werden diese Schritte meist zusammengefasst.

Ob Mitarbeiter ihre Ideen vorbringen, ist aber beileibe keine Selbstverständlichkeit. Es ist die erste Entscheidung, die im Zusammenhang mit einer Idee zu fällen ist: Will man sie für sich behalten oder will man sie mitteilen? Für diese Frage steht das Fragezeichen in der Überschrift. Workshops und andere auf Interaktion und Kommunikation bauende Formate sind zwar auf Mitteilung angelegt – aber auch dort kann sich jeder Teilnehmer entscheiden, ob er den Mund hält oder ob und was er sagt…

Damit sind wir beim Themenkomplex Motivation und Erwartungsmanagement, Anreiz- und Honorierungssysteme. Mit solchen Themen beschäftigen sich Psychologie, Soziologie und Verhaltenswissenschaften.

 

Nachbemerkung

Je nach Interesse mag es reizvoll und inspirierend sein, den Faden der im Eingangsstatement angedeuteten Polarität assoziativ weiterzuspinnen.

  • Relativ naheliegend sind Gedanken an die unterschiedlichen Zuschreibungen an die linke und rechte Gehirnhälfte. Auch wenn diese mittlerweile durch die Ergebnisse der Gehirnforschung widerlegt sind, kann man sich dennoch darauf einlassen, zwischen einem intuitiven und emotionalen Pol und einem logischen und rationalen Pol zu unterscheiden. In diesem Sinne lässt sich dann die Ideenentstehung mit irrationalen, gefühlsgesteuerten und unbewussten Prozessen in Verbindung bringen, während Managementprozesse möglichst rational, logisch und bewusst gestaltet werden.
  • Wer gern mythologische Bezüge herstellt, kann an den römischen Gott Janus denken. Er symbolisiert die Dualität in den ewigen Gesetzen und wird daher oft mit einem in zwei entgegengesetzte Richtungen blickenden Doppelgesicht dargestellt. Besonders passend zum Ideenmanagement scheint mir das Gegensatzpaar des Anfangs und des Endes: Am Anfang steht die Idee, das Management sorgt dafür, dass sie zu einem guten Ende geführt wird (selbst wenn ein Ende in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess immer nur vorläufig sein kann – bis zu nächsten Idee…). Auch die Zusammenhänge seines Namens mit den lateinischen Bezeichnungen für Tür und Eingang (ianua) oder Durchgang (ianus) kann man spielerisch deuten: Ideenmanagement schafft Durchgänge von der Vergangenheit in eine verbesserte Zukunft…

 

Ideenmanagement lebt von Vielem: Offenheit und Freiheit auf der Seite der Ideen, Stringenz und Disziplin auf der Seite des Managements, Ermutigung und Wertschätzung im Miteinander!

 

Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.

 

Alle Erwähnungen von Unternehmen und Produkten sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.

Dr. Hartmut Neckel

Dr. Hartmut Neckel

Zum Autor: Dr. Hartmut Neckel ist einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. >> Mehr

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